Der Kepler Track zählt zu den schönsten Wanderwegen Neuseelands. Die Wanderung führt durch immergrüne Märchenwälder und über herbstlich gefärbte Bergkämme, die malerischen Fjorde der Südinsel immer im Blick. Drei Tage wandern wir so durch das neuseeländische Fjordland. Ewig könnte ich hier umherwandern und die unfassbar schöne Landschaft in mir aufsaugen. Doch auch die schönste Wanderung ist irgendwann vorbei. Aber jetzt nochmal alles auf Anfang.
Kepler Track: Drei Tage unterwegs im Fjordland
Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen und kenne keinen Kummer, den man nicht weggehen kann. – Søren Kierkegaard
Für uns stand von Anfang an fest, dass in Neuseeland die Natur im Mittelpunkt stehen würde. Wir wollten soviel Zeit wie möglich draußen verbringen und unsere Füße endlich mal das wieder tun lassen, wofür sie gemacht sind: Laufen. Also statteten wir uns vor der Reise mit Funktionskleidung und Camelbags aus und durchforsteten die Reiseführer und das Internet nach geeigneten Wanderrouten. Wenn man nach Wanderungen in Neuseeland sucht, stößt man schnell auf die sogenannten Great Walks – jene mehrtägigen Wanderungen, die zu den wichtigsten Wanderwegen Neuseelands zählen und durch die schönsten Gebiete des Landes führen.
Zu den beliebtesten Great Walk Touren zählen der Milford Track und der Kepler Track im Fjordland, dem südlichen Teil der Südinsel. Da die Hütten entlang des Milford Tracks schon hoffnungslos ausgebucht waren und uns das Übernachten im Zelt im herbstlichen Fjordland schon etwas kalt erschien, entschieden wir uns für den Kepler Track. Dieser sollte laut Experten ohnehin viel schöner und vor allem weniger überlaufen sein. Also buchten wir die Hütten entlang des Kepler Tracks und legten so den einzigen festen Termin für unseren Monat in Neuseeland fest.
Letzte Vorbereitungen für den Kepler Track
Bevor es losgeht, müssen wir noch einige Vorbereitungen treffen. Für den Kepler Track müssen wir alles, was wir für die nächsten drei Tage brauchen, auf dem Rücken mitschleppen: Essen, Kleidung, Geschirr und Schlafsäcke. In einem Outdoorladen in Te Anau statten wir uns mit leichten Daunenschlafsäcken und Kochgeschirr sowie mit extra leichter, gefriergetrockneter Outdoornahrung aus. Dazu packen wir Kleidung für jede Wetterlage und das Nötigste für drei Tage ein.
Am Morgen des Aufbruchs fahren wir zum DOC (Department of Conservation) Center in Te Anau, um uns nach der Wetterlage zu erkunden. Bei schlechter Sicht wird von der Wanderung über die schmalen Bergkämme abgeraten. Doch die Wettervorhersage ist ungewöhnlich gut, wir bekommen grünes Licht und machen uns auf den Weg zum Startpunkt, einem Parkplatz am Lake Te Anau. Dort schnüren wir unsere Wanderstiefel, kontrollieren zum letzten Mal den Inhalt unserer Rucksäcke und verabschieden uns von unserem Campervan. In drei Tagen werden wir ihn wiedersehen.
Erste Etappe: Durch den Märchenwald Richtung Luxmore Hut
Die erste Etappe führt vom Parkplatz aus direkt in einen dicht bewachsenen Wald. Ein Schild am Beginn des Tracks weist uns darauf hin, dass wir uns nun in eine Kiwi-Zone begeben. Es geht eine ganze Zeit lang geradeaus am Ufer des Te Anau Lake entlang. Perfekt, um sich an das schwere Gepäck auf dem Rücken zu gewöhnen. Ich könnte ewig so durch den von Moos und Farn bewachsenen Märchenwald wandern, doch natürlich müssen wir irgendwann an Höhe gewinnen, und nach etwa 1,5 Stunden beginnt der Weg steil anzusteigen.
Spätestens jetzt macht sich das Gewicht unserer Rucksäcke bemerkbar, das uns nach unten zieht, während wir den immer steiler werdenden Weg hinaufkraxeln. Es geht weiter durch dichten Wald, den See können wir nicht mehr sehen, und ohne einen Orientierungspunkt haben wir keine Ahnung, wie hoch wir schon gekommen sind. Doch allmählich verändert sich das Grün des Waldes und es wird zunehmend luftiger. Nachdem wir eine Kalksteinschlucht passiert haben, erreichen wir schließlich die Baumgrenze und betreten eine herbstlich gefärbte Wiesenlandschaft. Von hier aus führt ein schmaler Pfad zwischen hohen Gräsern entlang. Kurz vor unserem Ziel beginnt es zu regnen, und nach insgesamt etwa 6 Stunden erreichen wir etwas durchnässt und platt die Luxmore Hut, unsere erste Station auf dem Kepler Track.
Die erste Station auf dem Kepler Track: Die Luxmore Hut
In der Luxmore Hut treffen wir auf Peter Jackson, den DOC Ranger der Luxmore Hut. Durch seinen roten Rauschebart erklärt er uns die Verhaltensregeln hier oben auf der Berghütte. Er spricht freundlich, doch ich komme zum ersten Mal in Kontakt mit dem südneuseeländischen Akzent und verstehe nur die Hälfte. Ja, er heiße Peter Jackson und nein, er sei nicht der Regisseur – den Witz erzählt er vermutlich nicht zum ersten Mal. Dann spricht er von den Bewohnern des Fjordlands. Von all den vom Aussterben bedrohten Vogelarten wie den Kiwis oder Kakas, die kaum eine Chance haben gegen all die von den Europäern eingeschleppten Fressfeinde.
Übernachtet wird in einem der beiden großen Schlafräume; im Gemeinschaftsraum wird gekocht und ausgeruht. Hier gibt es einen Ofen und mehrere Tische und Bänke. In einer Ecke das Raums befinden sich Herdplatten mit Gaskochern, die wir benutzen können, um unser Essen zu kochen. Wir hatten nicht damit gerechnet, so schnell die Hütte zu erreichen und wollen noch nicht unser streng rationiertes Abendessen anbrechen. Also schauen wir den anderen Wanderern beim Kochen zu, während wir auf einem Müsliriegel herumkauen und darauf warten, dass endlich Abendbrotzeit ist.
Es ist das erste Mal auf unserem Neuseeland Trip, dass wir in Kontakt mit anderen Reisenden kommen. Mit einem Campervan ist es leicht, sich abzuschotten, und gerade bei den herbstlichen Temperaturen ziehen wir uns abends zum Essen meist in den warmen Bus zurück. So genießen wir es, endlich einmal mit anderen Menschen zu sprechen. Es sind erstaunlich wenige Touristen und überraschend viele Neuseeländer hier, viele davon mit der ganzen Familie. Es ist schön, endlich in Kontakt mit Einheimischen zu kommen und zu sehen, was für ein beneidenswertes Leben sie führen, hier in Neuseeland mit dieser wahnsinnig schönen Natur vor der Haustür.
Zweite Etappe: Das schönste Stück von Luxmore zu Iris Burn
Die zweite Etappe ist quasi das Herzstück und der schönste Teil des Kepler Tracks. Wir sind so ziemlich die letzten, die am nächsten Morgen aufbrechen, aber das ist in Ordnung. Wir wollen nicht schon wieder hungrig auf unser Abendessen warten, während es ringsum köstlich duftet. Es ist schon faszinierend: Bereits nach einem Tag harter körperlicher Arbeit in Verbindung mit recht streng rationiertem Essen schwirren mir Fantasien von Pizza und Salami durch den Kopf. Wir waren aber auch wirklich sparsam: Morgens gibt es mit Wasser angerührtes Porridge, mittags nur Müsliriegel, Smoothies und Äpfel und erst abends gönnen wir uns das teure Outdoor Essen..
Bevor wir uns an die zweite Etappe machen, machen wir noch einen kleinen Abstecher zur Luxmore Cave, einer großen und ziemlich dunklen Tropfsteinhöhle etwa 20 Minuten von der Luxmore Hut entfernt. Dann geht es weiter auf dem Kepler Track. An diesem Tag führt uns der Weg den ganzen Tag lang über wunderschöne Bergkämme. Die Gräser leuchten in herbstlichen Farben, und ich kann mich kaum satt sehen an den geschwungenen Formen, die aussehen wie ein Meer aus grünen, gelben und braunen Bergen. Unterwegs treffen wir einen Kaka, einen neuseeländischen Papagei, der es nur auf unser Essen abgesehen hat. Die Kakas sind an Touristen gewöhnt und ganz schön frech.
Ansonsten tut es gut, einfach nur zu laufen. Der Körper ist schon eine erstaunliche kleine Maschine: Da wir recht wenig zu Essen eingepackt haben, verzichten wir meist auf längere Pausen. Sobald ich bemerke, dass meine Schritte schwerer werden, schnappe ich mir einen Müsliriegel oder einen Apfel aus der Seitentasche, und schon geht es beschwingten Schritts weiter.
Iris Burn Hut: Glühwürmer, Kiwis und Sterne
Das letzte Stück der Etappe führt wieder bergab zur Iris Burn Hut. Diese liegt nur noch auf ein paar Hundert Metern Höhe, inmitten von Gebüsch und Gräsern. Hier treffen wir auf die Rangerin, die für die Iris Burn Hut verantwortlich ist. Sie gibt uns ein paar Tipps, wie wir mit etwas Glück und viel Geduld Kiwis finden können. Also treten wir uns nach dem Abendessen hinaus ins Freie. Zuerst machen wir einen kleinen Abstecher in ein nage gelegenes Waldstück. Dort hängen die berühmten neuseeländischen Glowworms unter einem Baumstamm und leuchten wie tausend Sterne. Ob die kleinen Würmer wissen, wie faszinierend sie auf uns Menschen wirken?
Dann schleichen wir noch etwas weiter von der Hütte weg und hocken uns zwischen die Gräser, um ein paar Kiwis ausfindig zu machen. Kiwis sind nachtaktiv und sehr scheu. Mit dem roten Licht unserer Stirnlampe versuchen wir etwas ausfindig zu machen und lauschen in die Stille hinein. Manchmal hören wir ein Rascheln oder die Rufe der Kiwis, doch immer aus sicherer Entfernung. Nach einer halben Stunde oder Stunde geben wir schließlich auf. Es ist kalt, wir sind müde und wollen ins Bett. Aber der unglaubliche neuseeländische Sternenhimmel war es allemal wert, noch ein wenig aufzubleiben.
Dritte Etappe: Noch einmal die Zähne zusammenbeißen
Das letzte Stück des Kepler Tracks führt fast ausschließlich durch Wald und ist beinahe langweilig. Wir haben am Vortag schon das meiste an Höhe verloren, und nach den Aussichten der zweiten Etappe bin ich vielleicht auch etwas verwöhnt. Einzig das riesige Trümmerfeld, das wir nach etwa einer halben Stunde durchwandern sticht noch einmal hervor. Der gigantische Steinhaufen ist durch einen Erdrutsch nach schweren Regenfällen entstanden und bedeckt eine riesige Fläche. Ansonsten ist es eine einfache, aber recht monotone Strecke, und wir sind froh, dass wir diesen Teil an einem statt an zwei Tagen hinter uns bringen.
So laufen wir an diesem Tag bis zur Rainbow Reach, und von dort noch ein Stück weiter bis zu einem Parkplatz. Eine Brücke markiert das Ende der Wanderung, und als wir nach drei Tagen das Ende des Kepler Tracks erreichen, fühlen wir uns fast ein bisschen wie beim Zieleinlauf nach einem Marathon. Ich bin erleichtert und glücklich und auch ein wenig stolz, und leicht verblödet grinsen wir in die Kamera für ein letztes Bild auf dem Kepler Track. Zwei Mädels, die wir unterwegs kennengelernt haben, setzen uns an unserem Parkplatz ab. Dort sehen wir nach drei Tagen zum ersten Mal unseren liebgewonnenen schrottigen Campervan wieder. Und abends gönnen wir uns erstmal unsere wohlverdiente Pizza.