Artikel
0 Kommentare

Wie sicher ist es gerade in Istanbul? Ein Reisebericht

Sonnenuntergang Istanbul

Trotz der Terorwarnungen haben wir uns dafür entschieden, über Ostern nach Istanbul zu fliegen. Auch wenn wir diese Entscheidung bewusst getroffen haben, fiel es mir am Anfang natürlich ein wenig schwer, unbekümmert durch die Straßen Istanbuls zu laufen. Unsere Wohnung lag ca. 500 m von der Istiklal Caddesi entfernt; der großen Einkaufsstraße, auf der sich eine Woche vor unserer Abreise ein Terrorist in die Luft sprengte. Und jedes Mal, wenn wir uns auf den Weg machten, die Stadt zu erkunden, mussten wir diese Straße überqueren.

Menschenansammlungen bitte meiden

Auf den Seiten des Auswärtigen Amts wird auch jetzt noch davor gewarnt, sich in Istanbul in der Nähe von öffentlichen Plätzen, touristischen Attraktionen oder allgemeinen Menschenansammlungen aufzuhalten. Doch wenn man in der 20-Millionen- Stadt ist, stellt man fest, dass es recht schwer ist diese sogenannten Menschenansammlungen zu vermeiden. Allein die Istiklal Caddesi ist eine Einkaufsstraße, wie man sie in jeder größeren europäischen Stadt vorfindet: Eine breite Fußgängerzone, in der sich am Wochenende die Massen zum kollektiven Shopping tummeln.

In den ersten Tagen war ich automatisch ein wenig aufmerksamer, sobald wir eine größere Menschenmenge passierten. Nach kurzer Zeit legte sich das aber – die Menschen auf der Straße wirkten so entspannt, dass es zusehends schwerer wurde sich vorzustellen, jemand könnte diesen Frieden stören wollen. Auf der Istiklal Caddesi standen türkische Hipster zusammen und sangen orientalische Lieder, andere filmten die Gruppe mit ihren Handys oder tanzten zur Musik. Händler verkauften heiße Maronen oder ließen mit ihren Seifenblasen die Einlaufstraße in Regenbogenfarben schillern, und die Restaurantbesitzer überschlugen sich fast in ihrem Versuch, uns davon zu überzeugen bei ihnen (und nicht beim Nachbarn) zu essen. Nur die Polizisten und Polizeiwagen vor den Konsulaten und öffentlichen Gebäuden riefen uns ab und zu wieder ins Gedächtnis, dass die Lage durchaus gespannt ist.

Am zweiten Tag gingen wir über die Istiklal Caddesi in Richtung Galata-Brücke und entdeckten am Straßenrand plötzlich eine größere Gruppe von Polizisten, die mit Schutzschildern und Maschinengewehren ausgestattet auf etwas zu warten schien. Weiter die Straße runter entdeckten wir eine weitere Gruppe einsatzbereiter Polizisten. Als wir einen der Männer fragten, was denn los sei, beruhigte er uns sofort:„No problem. Football“. Und tatsächlich – als wir das Ende der Istiklal Caddesi erreichten, befanden wir uns plötzlich inmitten einer großen Gruppe Fußballfans, die die Straße verstopften. Anscheinend hatten sich gleich vier Fußballmannschaften auf der Einkaufsstraße versammelt, um ein wenig herumzupöbeln. Das Schöne war aber, dass niemand eine Bierflasche oder dergleichen in der Hand hatte – keine besoffenen Fußballfans. In Deutschland hätten die Polizisten wohl bei solch einem Auflauf durchaus ein Problem gehabt.

Tünel istanbul Bahn

Straße Istanbul

Regenschirme

Touristische Attraktionen bitte meiden

Am ersten Tag vermieden wir es noch, zu den „touristischen Attraktionen“ zu pilgern, doch am zweiten Tag überquerten wir die Galata-Brücke, um bei einem der bunt blinkenden Boote am Wasser des Goldenen Horns ein Balik Ekmek, ein Fischbrötchen zu essen und uns dem touristischeren Getümmel Istanbuls hinzugeben. Die Galata-Brücke führt über das Goldene Horn und verbindet das moderne, europäische Istanbul mit der Altstadt, in der sich die meisten Sehenswürdigkeiten befinden. In der Nähe der Brücke befindet sich der Spice Bazaar, der auch Ägyptischer Basar genannt wird – eine überdachte Markthalle mit vier sich in der Mitte kreuzenden Gängen.

Am Eingang wurden wir von Sicherheitsmännern mit Metalldetektoren kurz abgescannt. Im Basar selber reihen sich lauter kleine Shops aneinander, die Turkish Delights (sehr süße Süßigkeiten), Nüsse und Trockenfrüchte, Tee und Zubehör und vor allem Gewürze verkaufen. In den Straßen hinter dem Ägyptischen Basar sah das Ganze schon wieder anders aus, die Läden werden zusehends türkischer mit allerlei buntem Krimskrams. Je weiter wir uns vom Basar entfernten, desto weniger Touristen bekamen wir zu Gesicht.

Am dritten Tag „wagten“ wir uns schließlich zu den beiden touristischen Highlights, der Blauen Moschee und der Hagia Sophia vor – auf dem Sultanahmet Platz zwischen diesen beiden wohl bekanntesten türkischen Moscheen hatte es im Januar einen Anschlag auf Touristen gegeben. Laut Erzählungen ist auf dem Sultanahmet Platz sowie dem benachbarten Hippodrom sonst um einiges mehr los – als wir da waren, haben sich nur einige wenige Touristen dorthin verirrt und generell wirkte es für die Größe des Platzes recht ausgestorben. Auch auf dem Großen Basar, der neben den beiden Moscheen offenbar ein absolutes Muss eines jeden Istanbulbesucher ist, war ziemlich tote Hose. Dieser Bazar ist wie der Ägyptische Basar, nur viel größer. Er besteht aus 60 Gängen und an die 5.000 Geschäften und ist in verschiedene Bereiche aufgeteilt wie Lederwaren, Jeans oder Textilien.

Mir persönlich war der Basar aber etwas zu groß und nach einer Weile wiederholte sich das Angebot. Ich war irgendwann einfach überreizt, auch wenn man hier durchaus schöne Dinge wie orientalische Teeservices oder Hamamtücher kaufen kann. Dafür ist der Basar an sich wunderschön – das alte Gebäude mit den gewölbten Gängen und kunstvollen Mosaiken ist schon einen Besuch wert. Auch hier wurden wir am Eingang von Sicherheitsmännern kurz gescannt; in den Gängen selber herrschte gähnende Leere. Irgendwo habe ich gelesen, dass einige Verkäufer auf dem Großen Basar ihre Läden dicht machen müssen, weil die Miete so unglaublich hoch ist und die Besucherzahlen seit Anfang des Jahres stark zurückgegangen sind.

Sonnenuntergang Goldenes Horn

Blaue Moschee

Großer Basar

Mit dem Dampfer über den Bosphorus

Als das Wetter gegen Mitte der Woche endlich etwas frühlingshafter wurde, sind wir mit der städtischen Fähre über den Bosphorus geschippert. Der Bosphorus ist eine Meerenge, die Istanbul in eine europäische und eine asiatische Hälfte unterteilt und das Schwarze Meer mit dem Marmarameer verbindet. 1,5 Stunden lang fuhren wir Richtung Schwarzes Meer und konnten Istanbul vom Wasser aus bewundern, während unser Audioguide sicherstellte, dass wir keine noch so kleine Sommerresidenz irgendeines Paschas verpassten. Nach ein paar Stopps hier und da wurden wir schließlich in Anadolu Kavaği, einem kleinen Ort auf der asiatischen Seite kurz vorm Schwarzen Meer, abgesetzt, wo wir 2,5 Stunden Zeit totschlagen mussten. In Anadolu Kavaği kann man nämlich nicht viel machen, außer 20 Minuten auf einen Berg zu kraxeln, auf dem sich eine Burgruine befindet, die von unten den Eindruck erweckt, als wäre sie es wert erklommen zu werden.

Oben angekommen muss man aber feststellen, dass die Ruine nicht viel mehr zu bieten hat als das alte Gemäuer, das man auch von unten schon sehen konnte. Sie ist leider nicht begehbar und die Gemeinde kam noch nicht auf die Idee, den interessierten Besucher mit ein paar Informationen zu belohnen. Dafür kann man von dort oben aus das Schwarze Meer sehen, und unter der Ruine haben clevere Einheimische ein Restaurant mit fantastischer Aussicht und gepfefferten Preisen errichtet. Unten am Hafen ist die Aussicht nicht ganz so spektakulär, doch essen kann man dort ebenso gut. Nach dem Aufenthalt ging es die gleiche Strecke wieder zurück – da konnten wir dann die Sommerresidenzen betrachten, die wir auf dem Hinweg verpasst hatten.

Drehende Derwische – Rumis rotierendes Erbe

Abends haben wir uns eine Derwisch- Show angesehen. Der Name verrät es bereits: Das, was eigentlich eine uralte Tradition im Sufismus darstellt, wird heutzutage in der Türkei fast nur noch als Touristenattraktion ausgeübt. In solch einer Show schaut man einer Gruppe von Männern in langen weißen Gewändern dabei zu, wie sie sich hunderte Male im Kreis drehen, die Arme gen Himmel aufgestreckt gestreckt und den Kopf leicht zur Seite geneigt. Sie drehen sich um die eigene Achse und bewegen sich zusätzlich im Kreis, wie die Planeten sich um ihre eigene Achse und um die Sonne bewegen. Der Tanz der Derwische dient als Methode, in eine Art Ekstase zu verfallen und mit Allah in Kontakt zu kommen. Ich fand es faszinierend, ihnen dabei zuzuschauen. Alleine vom Zuschauen verfällt man schon in eine Art Trance. Allerdings braucht man ein wenig Geduld – die Zeremonie dauerte zusammen mit dem einleitenden Konzert eine ganze Stunde. Die Zeremonie, die wir uns angesehen haben, ist laut Trip Advisor eine der authentischsten in Istanbul – Aufnahmen und sogar Applaus waren verboten. Das Ganze fand im Kulturzentrum Hodjapasha statt. Ich empfehle, sich vorher die Broschüre einmal durchzulesen. Dann kann man der Zeremonie ein wenig besser folgen.

Mal kurz rüber nach Asien

Unseren letzten Tag verbrachten wir in Asien. Wenn man schon die Möglichkeit hat, mal eben auf den asiatischen Kontinent zu wechseln, sollte man sich das auch auf keinen Fall entgehen lassen. Die Fähren der unterschiedlichen Anbieter fahren alle paar Minuten und man kann seine Istanbulkart (die man auch für die Straßenbahn und Tram verwendet) benutzen. In Asien sind wir am Hafen entlang und durch das wunderschöne Marktviertel in Kadiköy geschlendert. Anscheinend kaufen auch die Istanbuler ihr Gemüse lieber hier als in Europa.

Generell kam mir auf der asiatischen Seite alles etwas günstiger vor, zumindest aber irgendwie authentischer. Überall saßen Menschen auf winzigen Hockern auf der Straße, tranken Cay, aßen, quatschten oder spielten Backgammon. Nachdem wir die leckersten Lahmacun und Pide der Welt verputzt haben, schauten wir uns den Sonnenuntergang am Bosphorus an: Beeindruckend, die Sonne hinter der mit wunderschönen Moscheen gespickten Istanbuler Skyline versinken zu sehen. Zum Schluss gab es noch einen doppelten Raki – das musste natürlich sein.

Pide

Kadiköy 2

Sonnenuntergang Kadiköy

Wie sicher ist es in Istanbul?

Dass uns während unseres Aufenthaltes nichts passiert ist, bedeutet nicht automatisch, dass nichts passieren kann. Ich glaube nicht, dass man sich vor Terroranschlägen wirklich schützen kann. Wer sich und andere Menschen töten will, wird immer einen Weg finden. Die Frage ist nicht, ob es in Istanbul sicher ist, sondern ob man sich aufgrund der Geschehnisse soweit einschränken lassen will, so dass man seinen Urlaub absagt. Was ich allerdings glaube ist, dass es in einer 20-Millionen Stadt wie Istanbul äußerst unwahrscheinlich ist, bei einem Terroranschlag ums Leben zu kommen. Wenn man auf Nummer sicher gehen will, sollte man wahrscheinlich besser nicht fliegen. Wenn man aber fliegt, sollte man versuchen, diese wunderschöne Stadt einfach zu genießen.

Kommentar verfassen