Ein gutes Buch ist eines, das man es am liebsten gar nicht mehr weglegen mag. Man hat es ständig in der Hand, liest beim Frühstück, auf dem Weg zur Arbeit, in der Mittagspause und abends im Bett, bis einem die Augen zufallen. Man leidet und lacht und hofft und bangt mit dem Protagonisten. Und wenn die Seiten gegen Ende hin weniger werden, versucht man sich die Seiten einzuteilen und das Lesevergnügen noch ein wenig zu verlängern. Doch natürlich will man wissen, wie es weitergeht, und dann liest man die letzte Seite und den letzten Satz, und man schließt das Buch, drückt es ans Herz und ist bestenfalls für immer verändert.
Das letzte Buch dieser Art begegnete mir im Januar während meiner Reise durch Sri Lanka. Es war die Empfehlung einer Freundin und ein richtig dicker Schinken. Doch inmitten der vielen äußeren Eindrücke fand ich gar nicht so richtig Zugang zu dem Buch. Erst Zuhause schlug es mich so richtig in seinen Bann, und dann aber mit voller Wucht.
Ich begann, morgens auf dem Weg zur Arbeit in der Bahn zu lesen, und abends auf dem Heimweg. Mehr als einmal hätte ich fast meine Haltestelle verpasst, weil ich so vertieft in die Geschichte war, und einmal musste ich das Buch zuklappen, weil ich sonst inmitten fremder Menschen angefangen hätte zu weinen. Weil dieses Buch das beste seit langer Zeit war, ist es auch das erste auf der Liste meiner liebsten Reisebücher, die ich euch heute empfehlen möchte. Das Buch, dieses unglaublich tolle Buch, das mich wochenlang beschäftigt hat, heißt Shantaram.
>> Indien <<
Shantaram – Gregory David Roberts
Auf der Flucht vor Interpol strandet der Australier Lindsay in Bombay. Dort lernt er den jungen Inder Prabaker kennen, der es sich zur Aufgabe macht, Lindsay durch seine Stadt zu führen und ihm die Gegensätze des indischen Lebens näher zu bringen. Zwischen den beiden entwickelt sich eine enge Freundschaft. Lindsay lernt von Prabaker nicht nur die Landessprache Marathi, sondern auch, mit sich ins Reine zu kommen. Er wird zu Shantaram, einem „Mann des Friedens“ und setzt sich für die Armen in den Slums Bombays ein. Was anderswo genug Stoff für eine schöne Geschichte mit Happy End wäre, ist hier nur der Beginn einer unglaublichen Geschichte. Denn als Lindsay einflussreiche Männer aus Bombays Unterwelt kennenlernt und sich in die schöne Schweizerin Karla verliebt, geht die Geschichte erst richtig los.
Die Geschichte von Lindsay ist eigentlich die Geschichte von Gregory David Roberts selber, und das macht die ohnehin schon unglaubliche Geschichte noch unglaublicher. Roberts nimmt uns mit auf eine Reise durch das pulsierende Bombay, die verdreckten Slums, ein indisches Dorf sowie das Afghanistan der 80er Jahre. Das indische Leben wird teilweise so treffend beschrieben, dass ich mich immer wieder dorthin zurückversetzt fühlte. Roberts bildhafte, poetische Sprache macht die Liebe gegenüber dem Land und der Menschen, denen er dort begegnet ist, für den Leser nachvollziehbar. Und wem das noch nicht genug ist: An Action und Spannung mangelt es ebenfalls nicht in dieser Geschichte. Shantaram ist wirklich eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe und im Grunde ein Muss für jeden Indien-Fan.
>> Thailand <<
The Beach – Alex Garland
Ein Klassiker, zu dem man eigentlich nicht viel sagen muss, denn so gut wie jeder hat die Verfilmung des Buches mit Leonardo di Caprio in der Hauptrolle schon mindestens ein Mal gesehen. Dennoch ist es eines der besten Reisebücher, die ich je gelesen habe. Gerade wenn man in Thailand ist und sich an einem der wunderschönen, aber völlig überlaufenen Strände wiederfindet, kann man den Wunsch des Protagonisten nachvollziehen, etwas Besonders abseits des Massentourismus‘ zu erleben. Als dem jungen Engländer Richard eine Karte in die Hände fällt, die den Weg zu einem geheimen Strand markiert, zögert er nicht lange. Gemeinsam mit dem französischen Pärchen Étienne und Françoise macht er sich auf den Weg, diesen Strand zu finden. Dort angekommen sind sie überzeugt, das Paradies gefunden zu haben: Weißer Sand, türkisfarbenes Wasser, tropischer Dschungel und keine Spur von Touristen. Zusammen mit der Gemeinschaft von Aussteigern leben sie den Traum eines jeden Backpackers. Doch schon bald stellt sich heraus, dass auch das Paradies seinen Preis hat.
„The Beach“ fasziniert mich nach wie vor, und immer wenn ich das Buch lese oder den Film sehe, fühle ich mich nach Thailand zurückversetzt. Und seien wir mal ehrlich: Diese Geschichte könnte sich in so ziemlich jedem Backpacker- Land abspielen. Und würden wir nicht alle dieser Karte und dem Ruf des Abenteuers folgen?
>> Tibet <<
Kein Pfad führt zurück. Aufbruch in ein neues Leben – Maria Blumencron, Chime Yangzom
Dieses Buch ist der Grund, warum ich für meine Yogalehrerausbildung Dharamsala im Norden Indiens gewählt habe. In dem Roman erzählt die österreichische Filmemacherin Maria Blumencron von der Flucht sechs tibetischer Kinder über den Himalaya bis ins nordindische Dharamsala. Dharamsala ist seit 1959 die Exilheimat des derzeitigen Dalai Lamas, und so auch Heimat zahlreicher Exil-Tibeter. Viele Eltern schicken ihre Kinder von Zuhause fort, in der Hoffnung, ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch der Weg über den Himalaya ist mit zahlreichen Gefahren verbunden. So können die Flüchtlinge zum Beispiel nur nachts im Dunkeln reisen, um nicht von der chinesischen Polizei entdeckt zu werden. Die Geschichte der sechs Kinder, die gezwungen sind, ihre Heimat und ihre Familien zu verlassen und den gefährlichen Weg über das höchste Gebirge der Welt auf sich zu nehmen, hat mich unglaublich fasziniert. Erzählt wird die Geschichte abwechselnd von Maria Blumencron und von einem der tibetischen Kinder, Chime Yangzom. Auf diese Weise erfährt man nicht nur, wie Blumencron den Kindern bei Dreharbeiten im Himalaya begegnet, sondern erlebt auch die gefährliche Reise der Kinder und ihre Ängste und Sorgen hautnah mit.
>> Syrien <<
Eine Hand voller Sterne – Rafik Schami
Rafik Schami ist mein absoluter Lieblingsautor und ich habe wohl schon so gut wie jedes Buch von ihm gelesen. Er stammt aus Damaskus, floh aber 1970 über den Libanon nach Deutschland, wo er sein Chemie-Studium fortsetzte und 1979 promovierte. Heute zählt er zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Autoren überhaupt, hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten und reist durch Deutschland, um Lesungen und Vorträge zu halten. Rafik Schami ist ein Pseudonym und bedeutet „Damaszener Freund“; mit bürgerlichem Namen heißt er Suhel Fadél.
Rafik Schami ist ein wahrer Geschichtenerzähler. Seine Romane, die fast immer in Damaskus spielen, spiegeln die Liebe zu und die Sehnsucht nach seiner Heimat wieder. Seine bildhafte Sprache erweckt die Straßen von Damaskus, die Teehäuser, Basare und die großen und kleinen Schicksale der Menschen zum Leben. In „Eine Hand voller Sterne“ geht es um einen Bäckerjungen, der in seinem Tagebuch über das Leben in Damaskus berichtet. Durch seine Augen erleben wir, was seine Familie, sein Viertel und schließlich sein Land bewegt. Aufgrund seiner politischen Aktualität wurde das Buch 2015 zum „Buch der Stadt“ Kölns gewählt. Meine (anderen) Lieblingsbücher von Rafik Schami sind Reise zwischen Nacht und Morgen, Erzähler der Nacht
und Das Geheimnis des Kalligraphen
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Habt ihr noch Empfehlungen für Reisebücher, die man unbedingt gelesen haben sollte? Vielleicht sogar welche, die zu einem bestimmten Reiseland passen? Dann ab damit in die Kommentare!
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