Mount Taranaki und seine Umgebung waren unsere Lieblingsregion auf der Nordinsel. Der mächtige Vulkan ist schon von weitem sichtbar, und hat man ihn einmal erblickt, kann man seine Augen nicht mehr von ihm abwenden. Majestätisch thront er über der Landschaft und beherrscht den Westen der Nordinsel. Umzäunt von einem kreisrunden und immergrünen Nationalpark ist er das perfekte Ziel, um der üblichen Touristenroute für eine Zeit den Rücken zu kehren.
Mount Taranaki, der heimliche Star unter den Vulkanen
Nur wenige Touristen verirren sich in die Region rund um den Mount Taranaki. Der Vulkan liegt nicht auf der typischen Touristenroute und wird deshalb von den meisten links liegen gelassen. Dabei war Mount Taranaki mit Abstand unser Lieblingsberg in ganz Neuseeland. Er sieht einfach verdammt beeindruckend aus.
Als ich zum ersten Mal in seinen Bann gezogen wurde, stand ich gerade auf dem Gipfel des Mount Ngaurohoe, unserem Zwischenstopp während des Tongariro Alpine Crossings. Ich suchte den Horizont nach dem Berg ab, wusste allerdings gar nicht so richtig, wonach ich suchen musste. Mount Taranaki ist rund 200 km vom Tongariro Nationalpark entfernt und zeigt sich nur bei sehr klarem Wetter. Und so war ich nicht wenig beeindruckt, als ich die dunkle Spitze des Vulkans in weiter Ferne aus den Wolken aufragen sah.
Mount Taranaki ist 2518 m hoch und seine perfekte Spitzkegelform hat ihm sogar schon eine Filmrolle eingebracht: Da er dem Fuji, Japans größtem Berg so ähnlich sieht, diente Mount Taranaki während der Dreharbeiten zu „The Last Samurai“ als Hintergrundkulisse. Weiterhin ungewöhnlich ist der kreisrunde Nationalpark, der den Vulkan umgibt: Der Mount Egmont Nationalpark entspricht in seiner Größe der Oberfläche des Vulkans. Seine von Farn und leuchtendem Moos durchzogenen Wälder laden zu den schönsten Wanderungen der Umgebung ein.
Der Gipfel des Mount Taranaki zählt zu den meist bestiegenen Berggipfeln Neuseelands. Eigentlich stand diese Tour auch auf unserem Plan. Doch nach einiger Recherche fanden wir heraus, dass die Besteigung nicht ganz ungefährlich ist. Zwar kann der Gipfel durchaus auch ohne Führer bestiegen werden. Aufgrund des unbeständigen Wettern und der zum Teil mangelnden Erfahrung der Bergsteiger zählt Mount Taranaki jedoch die meisten Todesfällen unter allen neuseeländischen Bergen. Zum Glück beherbergt der Berg jedoch auch zahlreiche größere und kleinere Wanderwege, die uns dem Gipfel immerhin ein kleines Stück näher brachten.

Mount Taranaki und der Forgotten World Highway
Taranaki, der traurige Riese
Laut den Maori stand der große Vulkan nicht immer einsam an der Westküste. Vor langer Zeit gehörte Taranaki zum Zentrum der Nordinsel, wo er friedlich mit den anderen Berggöttern Tongariro, Ngaurohoe und Ruapehu zusammenlebte. Es gibt verschiedene Maori Legenden, die erklären, wie er in den Westen kam.
Die eine Legende besagt, dass Taranaki einst mit der schönen Ruapehu verheiratet war. Eines Tages, als Taranaki auf Jagd war, machte Tongariro sich an sie heran. Als Taranaki zurückkehrte, entbrannte ein gigantischer Kampf zwischen den beiden Vulkanen, aus dem Tongariro als Sieger hervorging. Taranaki machte sich, geschlagen und gedemütigt, auf den Weg in den Westen. Auf seinem Weg zur Küste hinterließ er eine große Furche, die sich mit seinen Tränen füllte. So entstand der Whanganui River.
In der anderen Legende geht es ebenfalls um eine Frau, nämlich die schöne Pihanga: Der von grünen Wäldern umhüllte Vulkan war der heimliche Schwarm der anderen Berge und alle waren in sie verliebt. Als Taranaki es wagte, mit ihr zu flirten, brach ein großer Streit zwischen den Berggöttern aus. Die Erde bebte und der Himmel verdunkelte sich, als die Vulkane um Pihangas Gunst kämpften. Am Ende stand Pihanga an Tongariros Seite, und der traurige Taranaki zog von dannen.

Campen am Strand mit Blick auf den Mt Taranaki…

… und die fantastische Aussicht am nächsten Morgen.
Eine tickende Zeitbombe
Egal ob man den Legenden Glauben schenken mag: Die Maori sind davon überzeugt, dass Taranaki innerlich vor Zorn kocht und eines Tages ins Zentrum der Insel zurückkehren wird, um Tongariro abermals herauszufordern. Aus diesem Grund vermeiden die Maori es auch tunlichst, zwischen den beiden Vulkanen ihr Haus zu bauen. Wissenschaftler sind sich zumindest dahingehend einig, dass der große Vulkan nur schlummert und früher oder später erneut ausbrechen wird. Die letzte Eruption erfolgte im Jahr 1775, und Experten bezeichnen Taranaki als tickende Zeitbombe. Wenn er tatsächlich ausbricht, wird er große Teile der Nordinsel mit Asche bedecken. Deshalb wollen wir hoffen, dass seine Wut sich noch eine Weile in Zaum hält.
Mount Egmont Nationalpark
Mount Taranaki ist umgeben von einem perfekt kreisrunden Nationalpark: Dem Mount Egmont Nationalpark. Der Park ist nach dem Tongariro Nationalpark der zweitälteste Nationalpark Neuseelands und beherbergt dichten Regenwald, Wasserfälle und Sümpfe. Die Größe des Parks entspricht angeblich genau der Oberfläche des mächtigen Vulkans.
Wer in der Gegend unterwegs ist, wird feststellen, dass der Nationalpark einen anderen Namen trägt als der Vulkan. Dies ist auf die Zeit zurückzuführen, als die Europäer in Neuseeland einmarschierten und sich das Land zueigen und zunutze machten. So beschloss James Cook im Jahre 1770 einfach mal, dass der Berg, den die Maori jahrhundertelang Taranaki genannt hatten, fortan Mount Egmont heißen sollte – benannt nach dem 2. Earl of Egmont John Perceval, der nie einen Fuß auf die Insel gesetzt hatte. Erst 1986 entschied die neuseeländische Regierung, dass Taranaki künftig wieder ein gleichwertiger Name sei. Der Nationalpark jedoch hat den fremden Namen behalten, und auch Geologen sprechen nach wie vor vom Egmont Vulkan.
Wandern im Mount Egmont Nationalpark
Es gibt 13 Zugänge zum Mount Egmont Nationalpark, und mehr als 300 km Wanderwege. Die Strecken reichen von kurzen Spaziergängen bis zu mehrtägigen Wanderungen wie der Pouakai-Rundwanderung. Zwischen Juni und Oktober wird der östliche Hang des Mount Taranaki auch als Skigebiet genutzt.
Als wir dort waren, zeigte sich das Wetter nicht von seiner besten Seite. So nutzten wir eine kleine Regenpause, um eine mehrstündige Wanderung durch den wunderschönen, moosigen Regenwald zu machen. Es ging über Hängebrücken, vorbei an uralten knorrigen Bäumen und durch unfassbar schöne Märchenwälder. Vor allem der Enchanted Track, der verwunsche Pfad, hat es uns angetan. Doch eigentlich wirkt der ganze Wald verwunschen mit all seinem unglaublich grünen Moos und Farn.
Hier hätten wir noch tagelang weiter umherwandern können, um die unfassbar schöne Natur zu genießen. Doch wie immer reichte die Zeit nicht aus. Denn zwei Tage später ging es schon weiter nach Wellington und mit der Fähre rüber nach Picton, wo unsere Reise auf der Südinsel weitergehen sollte…
- Um zum Taranaki zu gelangen, fährt man über den wunderschönen Forgotten World Highway. Die 155 km lange Strecke führt von Taumarunui bis nach Stratford. Es lohnt sich, für die Fahrt ein wenig mehr Zeit einzuplanen, um unterwegs anhalten und ausreichend Fotos schießen zu können.
- Rund um den Taranaki gibt es einen anderen bekannten Highway, den Surf Highway 45. Er ist 109 km lang und reicht von New Plymouth bis nach Hawera. Hier an der Westküste reihen sich zahlreiche Surfspots aneinander. Das Gute: Hier es zumindest in der Nebensaison wesentlich weniger los als z. B. im Surferparadies Raglan.