Ich glaube, man merkt dass man alt wird, wenn man sein Wochenende lieber in der Natur verbringt als sich in verrauchten Clubs die Nacht um die Ohren zu schlagen. Das dachte sich wohl auch mein Kollege, als ich verkündete, dass ich übers Wochenende in die Schweiz zum Wandern fahre, während er hingegen aufs Oktoberfest nach München wollte. Sein Blick hat auf jeden Fall Bände gesprochen. Das Oktoberfest käme für mich so gar nicht infrage, und auch mit einem Wanderausflug in die Schweiz hätte man mich wohl noch vor einigen Jahren nicht von meinem ursprünglichen, partydurchtränkten Wochenendplan abbringen können. Doch Natur brauchte ich ganz dringend, und vor allem die Aussicht auf Berge, die ich seit meiner Rückkehr aus dem indischen Himalaya schmerzlich vermisse, machten die 6-stündige Fahrt schon fast zum Vergnügen.
Leider kamen wir mitten in der Nacht in Engelberg an, so dass von der Aussicht, auf die ich mich tagelang gefreut hatte, so rein gar nichts zu sehen war. Nur ab und zu blitzte ein weißer mondbeschienener, schneebedeckter Gipfel zwischen den Wolken auf, und ich konnte es kaum erwarten, das Ganze im Tageslicht zu sehen.
Engelberg ist ein bekannter Sommer- und vor allem Winterferienort und liegt etwa 25 km südlich des Vierwaldstättersees auf rund 1000 m Höhe. Im Winter lockt das 4.000- Seelendorf mit Skipisten, Langlaufstrecken, Schlittenfahrten und jeder Menge Schnee; im Sommer mit Wanderwegen, Klettersteigen, Hochseilgärten und einer atemberaubenden Aussicht. Engelberg lebt also vom Tourismus und ist idyllisch zwischen dem 3.238 m hohen Titlis-Massiv und den rund 2.800 m hohen Bergen Engelberger Rotstock, Ruchstock, Rigidalstock und Walenstöckchen gelegen. Der Ortskern ist urig und das Highlight ist wohl das 1120 gegründete Kloster, im dem eine Schaukäserei dazu einlädt, live bei der Herstellung von aromatischem, original Schweizer Bergkäse zuzuschauen. Generell besteht Engelberg neben dem Kloster und einer niedlichen Altstadt hauptsächlich aus Sportgeschäften mit Markenfunktionsbekleidung, die ich mir noch nicht einmal im Schlussverkauf leisten würde. Auch an den Preisen der Restaurants wurde schnell klar, dass die Schweiz ein ganzes Stück teurer ist als Deutschland. Eine Pizza Margherita für 16 CHF, hallo? Das Krasseste war aber der Preis für eine Fahrt auf den Titlis. Der Titlis ist der einzige erschlossene Gletscher in der Gegend und mit einer Seilbahn befahrbar (Man kann auch hochwandern, aber dafür waren wir nun wirklich nicht gewappnet!). Die Aussicht von dort oben muss toll sein und wir haben wirklich überlegt, dort hochzufahren. Aber 90 CHF für eine Retourfahrt war uns dann doch etwas zu happig. Zur Information: 90 Franken sind umgerechnet etwa 82 €. Zum Glück konnten wir in einem Wohnwagen auf dem Campingplatz Eienwäldli übernachten, so dass der Kurztrip nach Engelberg im Allgemeinen durchaus bezahlbar war und wir uns den ein oder anderen Käse gönnen konnten.
Am Morgen nach unserer nächtlichen Ankunft wurde ich von der Sonne geweckt, und anstatt mich noch einmal umzudrehen, konnte ich es kaum erwarten, die Vorhänge aufzureißen und mir die Bestätigung zu holen: Tatsächlich, wir sind in den Alpen! Schneebedeckte Gipfel, grüne Weiden, Sonnenschein. Perfekt!
Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es dann daran, die nächsten zweieinhalb Tage zu planen, um das bestmögliche aus der kurzen Zeit herauszuholen. Wie zu erwarten haben wir uns dann aber doch nicht an die Pläne gehalten und einfach die Natur und den Sonnenschein genossen. Soll ja auch ein bisschen Urlaub sein, gell?
Von Engelberg aus kann man viele schöne, mehr oder weniger anspruchsvolle Touren unternehmen. Wir sind am ersten Tag gegen Mittag los zum Brunni und haben dort eine kleine, mehrstündige Wanderung bis zur Flühmatt und Ristis gemacht. Ich war erst etwas enttäuscht, weil ich gerne ganz nach oben wollte, weil man ja von ganz oben so schön heruntergucken kann. Aber als ich mich nach dem ersten kleinen Anstieg schon keuchend auf einer Bank ausruhen musste, wurde ich eines besseren belehrt: So ein Kölner Flachland-Tiroler ist eben keine Bergziege!
Am Samstag hatten wir das Glück, den Alpabzug mitzuerleben. Da werden die Kühe für die Überwinterung von den Weiden zurück ins Dorf gebracht, was mit in Engelberg mit einem bunten Herbstmarkt, volkstümlicher Musik und vor allem viel Kaffi Träsch gefeiert wurde. Zur Info: In Kaffi Träsch spielt Kaffee eine eher untergeordnete Rolle. Mein persönliches Highlight war ein kleiner Stand, an dem Tibeter original tibetische Momos verkauft haben. Ansonsten haben wir noch einige kleine Wanderungen unternommen, waren in der Campingplatz-eigenen Sauna, sind durch Wolken spaziert und haben göttlich leckeren Käse geschlemmt.
Zusammenfassend muss ich sagen: So ein Kurztrip in die Schweiz kann sich mit ein wenig cleverer Planung wie ein einwöchiger Urlaub anfühlen. Die schneebedeckten Gipfel, die saftig grünen Weiden und die sanftäugigen Kühe mit ihren schweren Kuhglocken, deren Geläute zusammen mit dem Gemuhe zu einem harmonischen Gesamtgeräusch verschmilzt, versprechen Erholung und Natur pur. Ich freu mich schon auf’s nächste Mal!
- Engelberg ist nicht nur bei Erwachsenen total beliebt. Der Ort ist auch äußerst kinderfreundlich. Mit der Gästekarte werden im Sommer zum Beispiel viele kostenlose Programme angeboten, wie ein Ausflug zum Angeln, ein Tag im Hochseilgarten, eine Kajak-Tour und und und. Einfach mal unter www.engelberg.ch schauen.
- Es gibt auch eine Engelberg-eigene App namens iengelberg, die neben Wanderrouten auch coole Features wie die zurückgelegten Höhenmeter anzeigt.
- Unter www.engelberg.ch/sommer-in-engelberg/wandern findet ihr viele schöne Wanderrouten mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden sowie interaktive Wanderkarten.
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