Sechs bis acht Stunden benötigt der Durchschnittswanderer für das Tongariro Alpine Crossing. Die Alpen-Überquerung im Tongariro Nationalpark ist die beliebteste Tageswanderung Neuseelands. Kein Wunder, denn die Tour führt durch eine abwechslungsreiche Landschaft voller dampfender Vulkane und leuchtend blauer Kraterseen und ist selbst für Ungeübte problemlos zu bewältigen. Zumindest, solange man sich nicht dafür entscheidet, die Wanderung um einen kleinen Ausflug auf den berühmtesten Berg der Herr der Ringe-Trilogie zu erweitern: Dann kann sich die Tour auch schonmal auf elf Stunden, zitternde Knie und einen tagelang anhaltenden Muskelkater ausweiten. Ratet mal, wofür wir uns entschieden haben?
Tongariro Alpine Crossing: Eine Alpenüberquerung am anderen Ende der Welt
Das Tongariro Alpine Crossing wird als schönste Tageswanderungen der Welt beworben. Da der Weg gut ausgebaut und die Tour nicht übermäßig anspruchsvoll ist, ist man hier nie allein. Vielmehr teilt man sich den Weg durch Neuseelands ältesten Nationalpark mit zahlreichen anderen wanderlustigen Touristen, und nicht selten trottet man im Gänsemarsch hintereinander her durch die Landschaft. Die Strecke ist etwa 20 km lang und die Dauer wird mit etwa 6 bis 8 Stunden angegeben. Gut trainierte Wanderer können die Zeit aber halbieren oder zumindest wesentlich schneller hinter sich bringen.
Gestartet wird üblicherweise auf dem Mangatepopo Parkplatz am einen Ende des Nationalparks. Von dort läuft man durch die Heide, überquert Vulkane, passiert Kraterseen und durchquert schließlich einen Wald, bis man viele Stunden später den Ketetahi Parkplatz auf der anderen Seite des Tongariro Nationalparks erreicht. Von dort nimmt man dann einen Shuttlebus und lässt sich zum Ausgangspunkt und zu seinem Auto zurückbringen. Oder man parkt sein Auto am Zielparkplatz und lässt sich von einem Shuttlebus zurück zum Startpunkt bringen. Für letzteres haben wir uns entschieden. So brauchen wir uns gegen Ende nicht zu stressen, um den Shuttlebus zu erwischen. Eine weise Entscheidung, wie sich im Nachhinein herausstellt.

Der Tongariro Nationalpark im Sonnenaufgang
Erste Etappe: Der Morgensonne entgegen
Da die Wanderung recht lang ist und man in den Bergen das Wetter nie ganz vorhersagen kann, startet man üblicherweise recht früh am Morgen. So steigt die Sonne gerade erst über dem Tongariro Nationalpark auf, als wir den Startpunkt erreichen. Auf dem Parkplatz erwarten uns schon jede Menge anderer Wanderer: In mehr oder weniger wandertauglicher Kleidung machen sich alle bereit für die lange Tour.
Der Weg führt zunächst durch flaches Heideland; zum Teil über unbefestigte Wege, zum Teil über hölzerne Stege. Bereits hier werden wir ständig überholt, da wir immer wieder anhalten, um Fotos von den Bergen zu machen, die die aufsteigende Sonne in magisches Licht taucht. Nach etwa zwei Stunden erreichen wir einen Wasserlauf. Von hier an führt der Weg stetig und steil bergauf. Zwar ist Devil’s Staircase mit Treppenstufen ausgebaut, doch der Anstieg ist ziemlich steil und ich muss immer wieder kurz anhalten, um zu verschnaufen. Hätte ich doch bloß mehr gefrühstückt!

Im Hintergrund: Mount Ngaurohoe, der höchste Berg des Nationalparks.
Nach dem schweißtreibenden Anstieg erreichen wir schließlich ein großes Plateau. Während wir uns aus den verschwitzten Kleiderschichten schälen, sitzen bereits etliche Wanderer auf den Lavasteinen und genießen ihr Frühstück in der Morgensonne.
Ab jetzt könnte es so leicht sein: Hinter uns liegt die Heide, die wir in den letzten zwei Stunden durchschritten haben. Und vor uns liegt ein einfach zu durchquerendes Tal, der South Crater, und dahinter der Mount Tongariro sowie der Red Crater.
Laut Wanderkarte folgt nur noch ein anspruchsvollerer Anstieg, und dann nur noch Abstieg und schöne Aussichten. Für diejenigen, denen das zu langweilig ist, wartet der Tongariro Nationalpark jedoch noch mit der ein oder anderen zusätzlichen Herausforderung auf: Zwei sogenannte Side Tracks können neben der herkömmlichen Wanderung in Angriff genommen werden: Der leicht zu bewältigende Aufstieg auf den Gipfel des 1967 Meter hohen Mount Tongariro. Und der beschwerliche und laut Wanderkarte sogar mitunter gefährliche Aufstieg auf den Mount Ngaurohoe, den mit 2291 Metern höchsten Vulkan des Nationalparks.
Mount Ngauruhoe: Mount Doom oder der Schicksalsberg
Auf der Karte, die uns der Fahrer unseres Shuttles in die Hand gedrückt hat, steht, dass der Aufstieg auf den Mount Ngauruhoe durchaus gefährlich sei und man ihn nur wagen solle, wenn man die bisherige Wanderung als „einfach“ empfunden hat. Einfach? Kompliziert war es auf jeden Fall nicht. So beschließen wir, die zusätzliche Herausforderung zu wagen und die Wanderung um die angegebenen 2,5 Stunden zu verlängern.
Herr der Ringe-Fans ist Mount Ngaurohoe auch unter dem Namen Mount Doom bekannt. Wer Herr der Ringe noch nie auf Englisch gesehen hat, wird nicht sofort verstehen, was gemeint ist. Doch Mount Doom ist DER Berg. Der Schicksalsberg, in dessen glühendes Feuer Frodo am Ende den Ring werfen muss, um ihn zu zerstören. Eine bessere Wahl hätte Regisseur Peter Jackson auf jeden Fall nicht treffen können: Unheilverkündend ragt Mount Doom vor uns auf und sieht selbst von dem Plateau, auf dem wir stehen, noch riesig aus.
Nach einer kurzen Snack-Pause, in der ich mir hektisch einen Müsliriegel und einen Apfel in den Mund stopfe, machen wir uns an den Aufstieg. Nach einem kurzen, einfachen Start wird der Weg schnell jedoch recht steil und rutschig. Eigentlich gibt es gar keinen richtigen Weg, der Boden ist sandig und das Geröll aus scharfkantigem Lavagestein droht bei jedem Schritt unter den Füßen wegzurutschen.

Der beeindruckende Blick vom Mount Ngaurohoe.
Auf den Spuren von Frodo und Sam
Nach etwa einem Drittel sehen wir einen großen versteinerten Lavastrom, an dessen rauen Felsen wir uns unseren Weg nach oben erkämpfen. Ich werde mit jedem Höhenmeter unsicherer, was meine Schritte betrifft, und mehr als einmal habe ich Lust, das Ganze abzubrechen. Neben der Sorge, abzurutschen oder sich an einem der scharfkantigen Lavasteine zu schneiden ist da die Angst, von einem der herunterpolternden Steine getroffen zu werden, die die Wanderer weiter oben versehentlich lösen. Doch irgendwie reizt es mich auch, auf den Spuren von Frodo und Sam zu wandern.
Steine, Geröll und Asche. Obwohl wir nicht ganz untrainiert nach Neuseeland gekommen sind, finde ich den Aufstieg ganz schön anspruchsvoll. Dennoch scheinen erstaunlich viele den Side Track zu machen. Manche ganz leichtfüßig in Shorts und Turnschuhen, und andere auf allen Vieren. Zu letzter Gruppe gehöre auch ich zwischenzeitlich. Ich bin jedenfalls ganz schön froh, als wir endlich den Kraterrand des Vulkans erreichen, und ich meine zitternden Beine ausstrecken kann.
Vom Gipfel des Mount Ngaurohoe haben wir eine beeindruckende Aussicht auf den dampfenden Nationalpark und seine leuchtend blauen Kraterseen. Die Sicht ist sogar so klar, dass wir den rund 200 km entfernten Mount Taranaki an der Westküste aus den Wolken aufragen sehen können. Doch die Entspannung währt nicht lange, denn wir haben ja noch den größten Teil des eigentlichen Tongariro Alpine Crossings vor uns, und allmählich ziehen Wolken auf, die den Abstieg vom Mount Ngaurohoe noch gefährlicher machen, als er sowieso schon ist.

Der Krater von Mount Ngaurohoe bzw. Mount Doom.

Im Hintergrund ragt Mount Taranaki aus den Wolken hervor.
Rückkehr aus Mordor
Leider ist der Abstieg vom Mount Doom erst der richtige anstrengende Teil. Dafür haben die Wanderer mit der Zeit eine ganz eigene Technik entwickelt: Statt den gleichen Weg mühsam wieder herunterzukraxeln, bevorzugen es die meisten, den Berg an einer anderen Stelle einfach hinunterzurutschen. Ungefähr so, wie man eine Sanddüne herunterrutscht, nur dass es sich hier um einen sehr hohen und sehr steilen Berg handelt. Ich brauche etwas, bis ich mich traue, meine Füße durch das Geröll gleiten zu lassen. Und obwohl es ganz gut klappt, lauern immer wieder Tücken in Form von im Staub verdeckten Steinen, die einen unvermittelt zum Stolpern und Fallen bringen. Sagen wir so: Ich bin heilfroh, als wir vier Stunden später endlich wieder das Plateau unter unseren Füßen haben.

Rutschige Angelegenheit: Der Abstieg von Mount Ngaurohoe.
Rote Krater und blaue Seen
Nach dem Mount Ngorohoe ist der Rest des Tongariro Alpine Crossings ein Kinderspiel: Zunächst geht es durch ein weites, trockenes Tal, bevor es hinauf zum Red Crater geht. Der mächtige Krater leuchtet von innen tiefrot und erlaubt bei gutem Wetter einen Blick in seinen tiefen Schlund, doch heute raubt uns eine kühle Wolke jegliche Sicht. Dafür werden wir auf der anderen Seite des Kraters mit einem schönen Blick auf das beliebteste Fotomotiv des Tongariro Alpine Crossing belohnt: Die blauen Kraterseen. Nach einem kurzen Abstieg erreichen wir die berühmten Emerald Lakes, drei Kraterseen die so türkis leuchten, dass jegliche Nachbearbeitung überflüssig ist.

Die Emerald Lakes
Hier verbringen wir eine gute Stunde damit, die Seen aus allen Perspektiven zu fotografieren und können uns doch nicht sattsehen an dem tiefen Türkis. Als wir uns endlich losreißen, geht es eine Zeitlang durch ein Tal und in einem letzten kleinen Aufstieg hinauf zum Blue Lake, den wir aufgrund einer Wolke fast nicht bemerken. Von da an führt der Weg eigentlich nur noch geradeaus und dann in Serpentinen durch eine Heidelandschaft hinab in den Wald und zum Parkplatz.
Hier wird es ein letztes Mal spannend, da wir durch den Zwischenstopp auf dem Mount Doom und die lange Pause an den Kraterseen viel Zeit verloren haben. Das hat zwar den Vorteil, dass wir den Weg fast für uns alleine haben. Dafür erreichen wir aber auch erst bei Einbruch der Dunkelheit den Wald. Nur mit der LED-Taschenlampe eines iPhones bewaffnet tasten wir uns anderthalb Stunden durch das grüne Dickicht und freuen uns, als wir endlich nach elf Stunden den Ketetahi Parkplatz und unser rollendes Zuhause erreichen.
Ziemlich platt machen wir uns auf den Weg zu unserem Campingplatz für die Nacht. Dort erwartet uns ein Stellplatz mit Strom – ein Luxus, den wir uns nur alle paar Tage gönnen – und vor allem ein Whirlpool, der für eine halbe Stunde nur uns gehört. Das haben wir uns auch redlich verdient. Den Muskelkater werde ich allerdings noch Tage später spüren.

Ein letzter Blick auf den Tongariro Nationalpark bei Sonnenaufgang.
Gut zu wissen:
- Das Tongariro Alpine Crossing erfordert Kondition, aber keine Bergsteigerfahrung. Der Weg ist fast durchgehend perfekt ausgebaut. Es gibt aber einige schwierige Stellen, für die man schwindelfrei sein sollte.
- Für die Wanderung benötigt ihr nicht unbedingt Wanderschuhe, aber mindestens bequeme Schuhe mit gutem Profil. Wettertaugliche Kleidung für die schnell wechselnden Bedingungen in den Bergen ist Pflicht. Eine Ladung Wechselkleidung ist ebenfalls nützlich, um Auskühlung (Hypothermie) durch verschwitzte Kleidung zu vermeiden.
- Wenn ihr Mount Doom besteigen wollt, solltet ihr gute Wanderschuhe und lange Kleidung dabeihaben. Auf dem Berg ist es aufgrund der Höhe wesentlich kälter, und die lange Kleidung schützt euch vor Schürfwunden, wenn ihr stürzt.
- Ein guter Tagesrucksack, genügend Wasser und Verpflegung für den Tag werden benötigt. Für den Notfall können auch eine Taschenlampe und ein Erste-Hilfe Seit für Schürfwunden nützlich sein.
- Alles, was mit in den Nationalpark gebracht wird, muss auch wieder mitgenommen werden. Ein Müllbeutel kann deshalb auch nützlich sein, um Essensreste zu verstauen.
- Man kann sein Auto am Mangatepopo Parkplatz abstellen und am Ende der Wanderung den Shuttlebus zurück zum Parkplatz nehmen. Oder man parkt sein Auto am Ende des Tracks und lässt sich vom Shuttle zum Startpunkt am Eingang bringen. Auf diese Weise müsst ihr euch am Ende nicht stressen, um den Bus zu erwischen. Eine Fahrt mit dem Shuttlebus kostet 30 Dollar.
- Mehr Infos über das Tongariro Alpine Crossing findet ihr hier.
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