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Yoga Philosophie: Die fünf Yamas und unser Umgang mit der Umwelt

Die fünf Yamas Yoga Philosophie

Yoga wird in der westlichen Welt meist mit Asanas, den Yogapositionen gleichgesetzt. Dabei findet Yoga nur zu einem sehr kleinen Teil auf der Yogamatte selber statt. Tatsächlich stehen Asanas erst an dritter Stelle auf einem Weg, der  sich der  achtgliedrige Pfad des Yoga nennt. Die erste Stufe dieses achtgliedrigen Pfades nennt sich Yama. Bei den Yamas handelt sich um fünf ethische Richtlinien, die unser Verhalten gegenüber  unserer  Umwelt  definieren. Die fünf Yamas beziehen sich also auf unseren Umgang mit anderen Lebewesen. Die letzte Stufe des achtgliedrigen Pfades ist übrigens Samadhi, die Erleuchtung. Doch auch wenn ihr gar nicht vorhabt, erleuchtet zu werden, kann es sich durchaus lohnen, einmal einen Blick auf die fünf Yamas zu werfen. 

Die fünf Yamas und unser Umgang mit der Außenwelt

Ebenso wie einige große Religionen dieser Welt gibt die Yoga Philosophie uns bestimmte Richtlinien an die Hand, die das friedliche Zusammenleben der Menschen auf Erden gewährleisten sollen. Im Yoga werden diese durch die fünf Yamas repräsentiert, die erste Stufe auf dem achtgliedrigen Pfad des Yoga. Zwar ist es so, dass wir hauptsächlich alleine und für uns selber Yoga praktizieren. Sofern wir aber nicht gerade in einer Höhle zurückgezogen im Himalaya leben, müssen wir tagtäglich mit anderen Menschen interagieren. Wir wohnen und arbeiten mit ihnen zusammen, wir begegnen ihnen in der U-Bahn und im Supermarkt, wir stoßen in der Innenstadt mit ihnen zusammen und schauen uns ihre Profile auf Facebook an. Sprich, wir kommen nicht darum herum, in irgendeiner Weise von ihnen beeinflusst zu werden oder sie umgekehrt zu beeinflussen.

Genau hier setzen die Yamas an. Der Begriff Yamas kommt aus dem Sanskrit und lässt sich übersetzen mit „zügeln, kontrollieren, beherrschen“. Solange wir es nicht schaffen, unseren Geist zu zügeln und in Frieden mit anderen Menschen zusammenzuleben, behindern wir nicht nur unsere Yogapraxis, sondern auch unser eigenes Glück.

Das Schöne an den Yamas ist, dass wir sie nicht sofort und alle auf einmal beherzigen müssen. Das Yoga Sutra, in dem die Regeln vor tausenden von Jahren vom weisen Patanjali niedergeschrieben wurden, gibt uns den Raum, die Regeln Schritt für Schritt in unser Leben zu integrieren. In unserem Tempo und in beliebiger Reihenfolge.

Die fünf Yamas

Die 5 Yamas Yoga Philosophie

1. Ahimsa – Gewaltlosigkeit

Ahimsa ist das erste der fünf Yamas und setzt sich zusammen aus der kleinen Silbe „a“, die „nicht“ bedeutet sowie dem Hauptwort „himsa“, was „Töten“ oder „Gewalt“ heißt. Ahimsa lässt sich also mit dem Fehlen von Gewalt oder Gewaltlosigkeit übersetzen. Diese Gewaltlosigkeit bezieht sich auf alle Lebewesen einschließlich uns selbst: Ein Yogi soll sich und anderen Lebewesen also kein Leid zufügen. Dieses Leid bezieht sich jedoch nicht nur auf körperliche Gewalt, sondern im Prinzip auf alles andere, was einen anderen Menschen verletzen könnte wie Töten, Verletzen, Diebstahl, Betrug oder Lügen. Genauso sind raue Worte und Gedanken oder das Ausbleiben bestimmter Handlungen dazu in der Lage, andere zu verletzen.

B.K.S. Iyengar geht sogar noch weiter und sagt, dass Ahimsa nicht nur das Fehlen von Gewalt ist, sondern dass es eine viel umfassendere Bedeutung hat, und diese ist Liebe. Im Grunde ist Ahimsa das Erkennen der Gleichwertigkeit aller Lebewesen; es ist Liebe und Mitgefühl für alle einschließlich uns selbst. Das höchste Ziel von Ahimsa ist Friedfertigkeit, Respekt und Weisheit gegenüber allen Wesen.

Viele Yogis beziehen Ahimsa auch auf den Fleischkonsum. Wer wirklich konsequent das Leid anderer Lebewesen vermeiden möchte, müsse auch auf den Konsum von Fleisch verzichten. Meiner Meinung nach muss jeder selbst entscheiden, wie weit er in seiner Yogapraxis gehen möchte. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass der Verzicht auf Fleisch Grundvoraussetzung für eine tiefgehende Yogapraxis (Stichwort: Erleuchtung) ist. Ob jemand nun Fleisch und tierische Produkte isst oder nicht, sagt aber nichts über seine Persönlichkeit aus. Iyengar sagt zum Thema Fleischverzicht, dass ein Vegetarier (oder Veganer) noch lange kein gewaltloser Mensch sein muss:

„Blutdürstige Tyrannen können Vegetarier sein. Gewaltsamkeit ist ein geistiger Zustand, nicht eine Frage der Diät.“ – B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga

Ahimsa im Alltag

Wenn du Ahimsa in deinen Alltag integrieren möchtest, kannst du damit beginnen zu überprüfen, in welchen Situationen du in deinem Leben Gewalt anwendest. Bedenke, dass Gewalt nicht nur auf physischer Ebene stattfindet. So kannst du  dich zum Beispiel auch durch negative Gedanken oder Glaubenssätze à la „War ja klar, dass du das nicht hinkriegst“ verletzen. Beobachte außerdem, wann du anderen Menschen gegenüber gewaltsam wirst, zum Beispiel wenn du schnell aus der Haut fährst, nur weil du einen schlechten Tag hattest (Worte) oder andauernd das Bedürfnis verspürst, über andere zu lästern und sie zu beurteilen (Gedanken). Schon allein die Tatsache, dass du dir klar machst wann du Gewalt anwendest, wird dazu führen, dass du allmählich friedfertiger wirst. Du wirst du zum Beobachter und dir wird bewusst, dass es nur dein Ego ist, dass da spricht.

Ahimsa auf der Yogamatte

Auf der Yogamatte kannst du Ahimsa wunderbar üben, indem du zuallererst aufhörst dich darüber zu ägern, was du alles nicht kannst, und stattdessen anfängst darüber zu staunen, was du alles kannst. Ahimsa auf der Yogamatte heißt für mich auch, bewusst langsam und achtsam in die einzelnen Positionen zu gehen. Wie oft sind wir gedanklich schon bei der nächsten Position und achten gar nicht auf den Übergang von einer in die nächste Asana? Wie oft gehen wir mit Schwung in eine Position, ohne auf die Bedürfnisse unseres Körpers zu achten?

Unser Körper ist jeden Tag anders. Wie beweglich oder kräftig oder konzentriert wir sind, ändert sich von Tag zu Tag. Was gestern oder vorletzte Woche noch problemlos möglich war, muss heute nicht unbedingt genauso gut klappen. Indem wir uns immer wieder freundlich daran erinnern, genau hinzuspüren und vielleicht noch ein wenig tiefer atmen, finden wir zu einer achtsameren und liebevolleren Praxis. Schließlich wollen wir uns unseren Körper zum Freund machen, und ihn nicht verjagen.

2. Satya – Wahrhaftigkeit

Satya ist das zweite der fünf Yamas und lässt sich mit Wahrheit oder Wahrhaftigkeit übersetzen. Ein Yogi soll nicht lügen und ehrlich zu sich selbst und zu anderen sein. Dabei geht es weniger darum, immer die Wahrheit sagen als vielmehr darum, sich authentisch zu verhalten und zu sich und seiner Meinung zu stehen. Satya bedeutet auch, sich nicht selbst zu belügen und sich auch Unangenehmes wie Fehler einzugestehen. Außerdem sollte man nichts vorgeben, das nicht der Wahrheit entspricht – auch nicht aus falscher Rücksichtnahme.

Im Endeffekt geht es bei Satya darum, zu bedenken was man sagt, wie man es sagt und was das Gesagte im Gegenüber auslöst. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Da Ahimsa in der Reihenfolge der Yamas ein höherer Stellenwert zukommt, ist es wichtiger, andere nicht zu verletzen als um jeden Preis die Wahrheit auszusprechen. Das bedeutet, dass Schweigen manchmal besser sein kann als eine Wahrheit, die verletzt.

„Wer den Mut hat, stets die Wahrheit zu sagen, aber dabei andere nicht verletzt, dessen Taten und Worte werden in Erfüllung gehen.“ – Yoga Sutra II, 36

Satya im Alltag

Wir alle wurden schon einmal belogen und wir alle haben uns schon einmal der ein oder anderen kleinen Notlüge bedient. Ich persönlich bin ein wirklich schlechter Lügner, doch ich bin immer wieder erstaunt, wie gut manche Menschen lügen können, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch ob jemand nun „gut“ lügen kann oder nicht: Ich bin fest davon überzeugt, dass Lügen etwas in uns und unserem Gegenüber bewirkt. Zunächst einmal sind wir selbst uns im Moment der Lüge ja durchaus darüber bewusst, dass wir nicht die Wahrheit sagen, und das kann sich in unserer Körpersprache und vielleicht auch in unserer Ausstrahlung wiederspiegeln. Und zum anderen spürt vielleicht auch unser Gegenüber, dass ihm eine Lüge aufgetischt wird. Ob derjenige dies nun wahrhaben möchte oder nicht, ist eine andere Sache.

Ich jedenfalls glaube fest daran, dass Ehrlichkeit unheimlich wichtig ist für unseren eigenen Seelenfrieden und auch für den unseres Gegenübers. Um Satya im Alltag zu integrieren, schaue doch einfach mal, wo du dir selber oder anderen etwas vormachst, und nimm dir vor, in Zukunft immer ehrlich zu sein.

Wenn wir Satya im Alltag befolgen möchten, können wir uns eine alte Sufi-Weisheit zunutze machen:

„Bevor du sprichst, lasse deine Worte durch vier Tore schreiten. Beim ersten Tor frage: Sind sie wahr? Beim zweiten frage: Sind sie notwendig? Beim dritten Tor frage: Sind sie nützlich? Und beim vierten Tor frage: Sie sie freundlich?“

Satya auf der Yogamatte

Um Satya auf der Yogamatte zu integrieren, müssen wir anfangen, ehrlich mit uns selbst zu sein. Dies bedeutet, dass wir lernen müssen uns einzugestehen, dass unser Körper für manche Asanas einfach noch nicht bereit ist, oder dass wir heute einfach nicht so fit sind. Mal Hand aufs Herz: Wie oft hast du schon versucht, dich in eine bestimmte Position wie den Lotossitz zu zwängen, obwohl du ganz genau wusstest, dass deine Knie davon alles andere als begeistert sein werden? Und wie oft hast du dich gezwungen durchzuhalten und durch noch ein Vinyasa und noch eines zu fließen, obwohl du dich heute gar nicht fit fühlst?

Das Ego während der Praxis außen vor zu lassen und ehrlich zu sich und seinem Körper zu sein, das bedeutet Satya für mich auf der Yogamatte. Es bedeutet aber auch, sich einzugestehen, dass man heute nicht so fit ist und sich zwischendurch einfach mal in der Kindeshaltung auszuruhen. Letztendlich ist es egal, was die anderen denken. Schließlich ist es deine Yogapraxis, und nicht die der anderen.

3. Asteya – Nichtstehlen

Das dritte Yama Asteya setzt sich zusammen aus der Silbe „a“ für „nicht“, sowie dem Hauptwort „steya“, das sich mit „stehlen“ übersetzen lässt. Die Bedeutung dieses Yamas ist also das Nicht-Stehlen. Der Diebstahl bezieht sich aber nicht nur auf materielle Dinge. Man kann zum Beispiel auch die Idee eines anderen klauen und als seine eigene ausgeben. Ebenso kann man das Vertrauen eines anderen stehlen, indem man sein Geheimnis weitererzählt oder ihn anlügt. Außerdem stiehlt man jemandes Zeit, wenn man ihn warten lässt und beraubt jemanden seiner Freiheit, indem man ihn einsperrt. Und Zuguter letzt kann man jemandem  auch die Frau oder den Mann stehlen.

Im Grunde geht es bei Asteya darum, sich frei zu machen von Verlangen und Habgier. Begierde führt unweigerlich zu Gefühlen wie Verlustangst, Misstrauen und Neid. Durch die Praxis von Asteya sollen wir lernen, zwischen notwendigen und entbehrlichen Dingen zu unterscheiden.

Asteya im Alltag

Dass man nicht das Eigentum anderer stehlen darf, sollte eigentlich klar sein. Aber auch wenn du andauernd zu spät kommst, beklaust du andere Menschen, indem du ihnen die Zeit stiehlst. Mit Unpünktlichkeit stiehlst du aber nicht nur anderen, sondern auch dir selber Zeit. Denn die Zeit, die du abgehetzt damit verbringst, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen, verbringst du nicht im Hier und Jetzt, sondern in der Zukunft. Es ist quasi verlorene Lebenszeit.

Asteya lässt sich aber auch wunderbar auf unsere Konsumgesellschaft übertragen. Wie oft kaufen wir Dinge, nur weil wir glauben, sie unbedingt haben zu müssen? Das neue iPhone, das fünfte Paar Stiefel, die zehnte Winterjacke? Wenn wir Asteya in unseren Alltag integrieren, wird uns immer öfter klar, dass wir all diese Dinge eigentlich gar nicht wirklich brauchen. Wir lernen, unser Verlangen nach materiellen Dingen zu zügeln und erkennen, dass wir zum Leben recht wenig brauchen: Ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen und ein paar Kleidungsstücke.

„Wenn das Verlangen zu nehmen erlischt, kommen die Juwelen zum Vorschein. Wenn man nichts will, kann alles zustande kommen.“ – Yoga Sutra II, 37

Asteya auf der Yogamatte

Pünktlich im Yogastudio anzukommen ist nicht nur fair den anderen Yogis gegenüber. Denn niemand mag es, wenn in der Anfangsmeditation noch schnalzend eine Yogamatte ausgerollt wird. Auch für dich selbst beginnt die Praxis auf eine völlig andere Art, wenn du genügend Zeit zum Ankommen einplanst. Ohne Stress kommst du viel schneller raus aus dem Alltag und rein in diesen Zen-artigen Zustand, den wir alle uns von einer Yogastunde erhoffen. Du solltest dir also keine wertvolle Zeit stehlen.

Asteya in der Yogapraxis zu integrieren bedeutet für mich aber auch, zu versuchen, störende Gedanken ziehen zu lassen, ganz bei sich auf der Matte zu bleiben und sich frei von dem Verlangen nach bestimmten Zielen zu machen. Wie oft ärgert man sich darüber, dass man diese eine Asana auch nach jahrelanger Praxis immer noch nicht beherrscht? So what? Es wird dich nicht zu einem besseren Menschen machen, wenn du sie beherrschst. Aus demselben Grund sollte auch der neidische Blick auf den Mattennachbarn aus deiner Yogapraxis verschwinden: Wir alle haben andere Körper und völlig andere Voraussetzungen. Jeder hat seine Stärken und seine Schwächen. Wenn du dich andauernd mit anderen vergleichst, stiehlst du dir die wertvollen 90 Minuten, die eigentlich dir gehören sollten.

4. Brahmacharya – Enthaltsamkeit

Brahmacharya ist das vierte Yama. Das Wort enthält den Namen Brahmas, einem der drei Hauptgötter im Hinduismus. Brahmacharya lässt sich übersetzen mit „der im Bewusstsein des Brahma handelt„. Das vierte Yama steht für Enthaltsamkeit und Maßhalten. Früher war damit vor allem das Leben im Zölibat gemeint. Dies ist aber meiner Meinung nach nicht mehr wirklich zeitgemäß. Brahmacharya lässt sich aber auch auf andere Bereiche unseres Lebens übertragen. So sollten wir Übermaß, Abhängigkeiten und Extreme aller Art vermeiden.

Je nachdem, wie ernst es uns mit der Yogapraxis ist, können wir zum Beispiel Suchtmitteln (Alkohol, Tabak, Drogen), Fast Food oder schlechtem Fernsehen entsagen. Im Grunde geht es bei Brahmacharya nicht unbedingt darum, auf alles zu verzichten, sondern vielmehr darum, sich seinen Leidenschaften nicht willenlos auszuliefern. Brahmacharya ist im Endeffekt nichts anders als Selbstbeherrschung.

Brahmacharya im Alltag

Wir alle haben diese eine kleine Schwäche. Sei es Schokolade, Tabak oder das Glas Wein am Abend. Das Problem ist, dass wir uns oftmals von diesen Schwächen steuern lassen und die Kontrolle verlieren. Genau hier setzt Brahmacharya an. Im Endeffekt ist Brahmacharya nichts anderes als das Meistern der Selbstbeherrschung. Wenn wir dieses Yama in unseren Alltag integrieren wollen, können wir damit anfangen zu untersuchen, in welchen Situationen wir schwach werden, und bewusst dagegen ansteuern. Im Grunde geht es darum, einen klaren Geist zu behalten und seine Energie weise einzusetzen. Das Meistern von Brahmacharya soll uns außerdem zu mehr Vitalität verhelfen.

„Ist man in Brahmacharya gegründet, dann entwickelt man eine Fülle an Vitalität und Energie, Mut im Denken und einen starken Intellekt, damit man jede Art von Ungerechtigkeit bekämpfen kann“. B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga

Brahmacharya auf der Yogamatte

Auch auf der Yogamatte können wir lernen, unsere Energie mit Bedacht einzusetzen. Ob wir durch ein weiteres Vinyasa fließen oder uns lieber kurz in der Haltung des Kindes ausruhen, liegt allein bei uns. Es gilt, hier das richtige Maß zu finden. Zu entscheiden, ob wir eine Pause benötigen oder uns noch ein wenig mehr pushen sollten. Auch der Atem spielt hier eine tragende Rolle. So dient er uns nicht nur als Barometer, um festzustellen, ob wir uns genügend herausfordern oder uns vielleicht schon überfordern. Im Yoga gehen wir auch davon aus, dass wir mit dem Atem neben Sauerstoff auch Prana, Lebensenergie in uns aufnehmen. Und diese Energie hat wiederum direkten Einfluss auf unseren Geist. Nicht umsonst heißen die Atemübungen im Yoga Pranayama, was übersetzt nichts anderes heißt als das „Kontrollieren der Lebensenergie“.

5. Aparigraha – Nicht-Horten

Aparigraha steht an fünfter und letzter Stelle der Yamas. Es setzt sich zusammen aus der Silbe „a“ und dem Wort „parigraha“, was übersetzt so viel wie „Horten,“ oder „Sammeln“ bedeutet. Aparigraha lässt sich also mit Nicht-Horten übersetzen. Dieses Yama steht in engem Zusammenhang mit dem dritten Yama Asteya und betrifft unsere bewusste Reflexion darüber, was und wie viel (Lebensmittel, Sneaker, Partner, Quadratmeter, Anerkennung) wir wirklich zum Leben brauchen. Ein Yogi sollte versuchen, nicht an materiellen Dingen festzuhalten und glücklich zu sein mit dem, was er hat. Er sollte sich in Anspruchslosigkeit üben. Ebenso wie man nicht stehlen soll, soll man auch keine Dinge anhäufen und sammeln, die man nicht unmittelbar braucht.

Aparigraha im Alltag

Etwa zweimal im Jahr, im Übergang vom Winter in den Frühling und vom Herbst in den Winter verspüre ich den Drang, Zuhause einmal gründlich auszumisten. Ich will mich befreien von all den Dingen, die mein Zuhause bevölkern, obwohl ich sie seit Jahren nicht benötigt habe. Genau darum geht es bei Aparigraha: Um die Erkenntnis, dass wir nur sehr wenig brauchen, um glücklich zu sein.

Wie Asteya lässt sich auch Aparigraha sehr gut auf den immer fortwährenden Konsum beziehen. Gerade in der Weihnachtszeit lohnt es sich zu fragen, warum wir all den Kram jedes Jahr kaufen. Haben wir nicht schon alles? Brauchen wir wirklich noch mehr? Indem wir uns vor jedem Kauf fragen „Brauche ich das wirklich?“ und „Was passiert, wenn ich es habe?“, sind wir schon einen Schritt weiter in Richtung Seelenfrieden.

„Durch Beachten von Aparigraha vereinfacht der Yogi sein Leben, so sehr er nur kann, und trainiert seine Gedanken, damit er einen Verlust oder Mangel nicht spürt. Dann wird alles, was er wirklich braucht, von allein und zur rechten Zeit kommen.“ B.K.S. Iyengar, Licht auf Yoga

Aparigraha auf der Yogamatte

Wenn wir Aparigraha auf der Yogamatte praktizieren, sollten wir uns in der Anspruchslosigkeit üben. Das bedeutet vor allem, dass wir lernen gleichgültiger zu werden gegenüber Dingen, die wir nicht können: Wir müssen keinen Handstand oder abgefahrene Verrenkungen beherrschen, um ein „guter“ Yogi zu sein. Es wird immer wieder mal vorkommen, dass in der Yogastunde etwas geübt wird, das wir nicht beherrschen. Anstatt frustriert das Handtuch zu werfen, sollten wir vielmehr lernen zu akzeptieren, dass wir einfach noch nicht so weit sind oder vielleicht aufgrund unserer Anatomie niemals soweit sein werden. Unsere persönlichen Grenzen auch auf der Yogamatte zu akzeptieren lehrt uns zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist und was nicht. Was nämlich wirklich zählt ist, dass wir uns gut fühlen, wenn wir aus der Yogastunde kommen.

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Das waren die fünf Yamas und somit die erste Stufe auf dem achtgliedrigen Pfad des Yoga. Ich hoffe, ich konnte deinen Blick auf Yoga und die Philosophie dahinter ein wenig erweitern. Und selbst wenn du keine Erleuchtung anstrebst und Yoga nur für dein allgemeines Wohlbefinden praktizierst, lohnt es sich allemal, die Yamas einmal eingehender zu betrachten. Vielleicht pickst du dir das ein oder andere Yama heraus und versuchst einmal, es zu beherzigen. Verrate mir gerne, was es in dir bewirkt hat!

Buchtipps zu den fünf Yamas:

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Das Yoga Sutra von Patanjali

Licht auf Yoga von B.K.S. Iyengar

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